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Tanja Kratzer, Fleischfachfrau in Ausbildung

20. Januar 2017

«Das Büro ist nicht meine Welt»

 

«Es ist nicht so, dass wir gross, stark und dumm sind. Wir sind gross, stark und gescheit.» Die-jenige, die das sagt, ist nicht körperlich gross, wohl aber stark in ihrem Willen, etwas zu errei-chen, sowie wach und intelligent dazu.

Tanja Kratzer ist eine fein gebaute, gut aussehende und ehrgeizige junge Frau, die ihr Herz auf der Zunge trägt. Man würde ihr locker attestieren, dass sie auf dem Weg zu einer akademischen Karriere zurzeit das Gymnasium besucht oder ihren Be-rufsalltag im gestylten Office einer Bank oder eines Handelsbetriebs verbringt. Nichts wäre jedoch von der Alltagsrealität der achtzehnjährigen Tanja weiter entfernt. Die junge Frau lernt im dritten Lehrjahr den herausfordernden Beruf einer Fleischfachfrau, Fachrichtung Veredelung. Nicht etwa, weil sie im zürcherischen Zollikerberg als Tochter von Eltern aufgewachsen ist, die in der dritten Generation eine Metzge-rei betreiben, sondern weil sie nach vielen Schnupper-Versuchen zum Schluss gekommen ist, dass dieser Beruf am besten zu ihr passt und ihr am meisten Freiraum bietet, ihr Flair für Lebensmittel und ihre kreative Seite auszuleben.

Alles, nur nicht  Fleischfachfrau

Tanja wollte alles werden, nur nicht Fleischfachfrau. Während ihr Vater zum Vorneherein klar zum Ausdruck brachte, dass er sie für die ge-borene Fleischfachfrau hält, war Tanja keineswegs dieser Meinung. Ihre Klassenlehrer der Sekundar-schule A empfahlen das Gymnasium als nächste Ausbildungsstufe. Für Tanja stand jedoch von Anfang an fest: «Das Büro ist nicht meine Welt. Ich muss etwas machen.» Um sich ein hautnahes Bild zu machen, schnupperte sie in einer Vielzahl von Berufen: Pharmaassistentin, (Tier)medizinische Praxisassistentin … und auch Fleischfachfrau. Die meisten der evaluierten Berufe er-schienen ihr als Sackgasse bezüg-lich der beruflichen Weiterentwick-lung. Am Schluss sollte ihr Vater Recht behalten, der Entscheid aber war nun der ihrige. Das Fleischfach war diejenige Branche, die Tanja am besten zusagte und wo sie am meisten Möglichkeiten sah, sich auch beruflich weiterzuentwickeln und ihre Kreativität und Ideen frei einzubringen.

Wie nicht anders zu erwarten, hat die junge Frau auch da klare Vorstellungen, wie ein ihr entsprechendes Fleischfachgeschäft aussehen soll. Kein Grossbetrieb, eine kleinere Metzgerei mit engem Kundenkontakt sollte es sein: «In einem kleineren Betrieb kann man an den angebotenen Produkten etwas verändern und neue Spezialitäten kreieren.»

Seit dem Antritt ihrer Lehrzeit ist nun etwas Zeit vergangen. Tanja hat den Entscheid nie bereut: «Der Beruf ist stressiger und anspruchsvoller, als ich mir das vorgestellt hatte, aber auch abwechslungsreicher. Fleischfachleute arbeiten selbstständig und entwickeln immer neue Ideen für Produkte und Arbeitsabläufe. Wir haben einen der spannendsten, kreativsten und anspruchsvollsten Berufe. Darauf bin ich sehr stolz, auch wenn das viele Leute heute leider nicht mehr wahr-haben wollen.» Als Kind kam es auch mal vor, dass sich die kleine Tanja mit Protest auf die Kiste mit den vom Vater gezüchteten Kaninchen setzte, um zu verhindern, dass diese ge-schlachtet wurden. Zu Hause auf-gewachsen ist sie umgeben von einer Vielzahl von Tieren. Die Liebe zu diesen Vögeln, den japanischen Koj-Karpfen im Fischteich und dem Hund ihrer Mutter prägten ihre Kindheit ebenso wie der Handel mit dem Lebensmittel Fleisch, den ihre Eltern betreiben. Gefragt, ob sie denn gar keine Mühe damit habe, dass dafür Tiere getötet werden müssen, hat Tanja erwartungsge-mäss eine klare Antwort: «Fleisch ist natürlich und gehört für uns Men-schen seit jeher zu einer natürlichen, ‹artgerechten› Ernährung.

Man sagt ja dem Tiger auch nicht, dass er von nun an Gras fressen soll.»

Mehr als der zum Trend hochgejubelte Verzicht auf Fleisch, der von einer verschwindend kleinen Zahl von Konsumenten tatsächlich praktiziert wird, beschäftigt sie jedoch die Verschwendung und Preistreiberei im Lebensmittelbereich: «Hier schauen die Leute peinlichst genau aufs Geld und sind bereit, qualitativ minderwertige, umweltschädlich produzierte Lebensmittel zu konsumieren, nur um ein paar Franken zu sparen. In die Ferien gehen sie dann aber mehrere Wochen und lassen sich das viel kosten.» Der Traum vom eigenen Geschäft Ehrgeiz gepaart mit einem starken Willen und Durchstehvermögen sind zwei Wesenszüge, die nicht nur Tanja, sondern viele junge Menschen, welche diesen Berufsweg einschlagen, prägen. Tanja Kratzers grösster Traum wäre die Übernahme und Weiterentwicklung der elterlichen Metzgerei, gemeinsam mit ihrem Bruder, der seine Lehre als Fleischfachmann in der Fachrichtung Verarbeitung bereits erfolgreich beendet hat. Ob dies so geschehen wird, steht noch in den Sternen. Auf jeden Fall hat sie sich das Ziel gesetzt, ihre Lehre so gut abzuschliessen, dass sie sich für die Teilnahme an der Schweizer Meisterschaft der besten Lehrabgänger qualifizieren kann. Einer der bei ihrer Berufswahl ausschlaggebenden Faktoren waren die vielfältigen Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten, welche die Fleischfachberufe anbieten. Wie nicht anders zu erwarten, hat Tanja die Absicht, diese Herausforderung anzunehmen und die höheren Ausbildungen (Berufsprüfung, Meister-prüfung) anzustreben. Angesprochen darauf, welchen Einfluss die Gründung einer Familie auf ihre Berufs- und Karriereplanung haben könnte, meint sie wie von ihr gewohnt kurz und prägnant: «Eine berufliche Karriere ist auch mit Familie machbar.»

Autor: Peter Zimmermann